About us

Amarthan ist eine freie Übersetzung aus dem Sindar für "dunkles Schicksal"

Angefangen hatte alles mit einer Online Sippe im MMORPG Spiel "Lord of the Rings Online", bei welcher sich drei Freunde dazu entschlossen haben, eine eigene Sippe zu gründen. Es sollte ein Heimathafen für die eher fragwürdigen Anti-Helden Charaktere sein, welche durchaus auch einmal eine eigene Ansicht der Rechtssprechung haben.

Im Laufe der Jahre jedoch holte die Vergangenheit viele der Charaktere ein und sie machten sich auf den Weg durch Mittelerde.
Währenddessen wurde die Stellung durch vereinzelte Charaktere, wie Eoddren, gehalten und es entstand ein weiterer Grundpfeiler der Amarthan - eine allgemeine Anlaufstelle für Rollenspieler und derer, die es werden wollen.

Heute ist die Amarthan nach wie vor eine LotRO Online Sippe, für Rollenspieler und "normale" Spieler, die einfach gerne eine gemütliche, gemeinsame Zeit in dem Spiel verbringen möchten.

Wer gerne mehr über die Sippe und die Leute erfahren möchte oder einfach nur in Kontakt treten möchte, kann dies gerne hier im Forum machen oder aber auch ingame. Einfach dazu bei Eoddren melden, am Server DE-RPG Belegaer. Falls dieser nicht online sein sollte, am Besten einfach eine Ingame Nachricht schreiben.

------------------

Entstehung einer Sippe

Am Anfang war das Ende
„Die Nacht ist noch jung! Das ist gut…“, Accarin küsst mit einem altbewährten schiefen Grinsen seinen blank polierten Dolch, ehe er mit den Schatten des Chetwaldes verschwimmt. Töricht hatte ihn sein alter Freund Orsen geschimpft, bei dieser Düsternis loszuziehen. Doch was weiß der schon? Die Dunkelheit muss nicht zwangsläufig Gefahren beherbergen, ganz im Gegenteil, sie vermag manchmal sogar zu schützen. Vor neugierigen Blicken und nicht zuletzt vor etlichen Gefahren, die nicht minder beeindruckt von ihr sind. Raubtiere, Wölfe, hat er gesagt, doch die sind keine echte Herausforderung – was weiß dieser stümperhafte Verschnitt eines Jägers schon…

Na endlich. Da ist das Lager, dieses Hochstaplers. Vielleicht stimmen Soneahs Bedenken ja und er sagt die Wahrheit, aber dann sollte das was ich gerade vorhabe auch gar nicht machbar sein. Dann sollte er mich eigentlich niederstrecken, denn er war immer der Besonnenere von uns beiden. Der Stratege wenn man so will. Accarin lächelt als er unbemerkt aus den Schatten tritt, den Dolch – wie so viele Male schon – fest in der Hand tritt er seinem alten Freund und seinem heutigen Gegner entgegen. Ein Herzschlag und drei Schritte später. Wenn ich gut Ziele, dann wird das ein kurzer Kampf. Noch ein Herzschlag, ein Schritt – Accarin wagt es nicht mehr zu atmen – Genau zwischen die Schulterblätter. Eine Haaresbreite, dann bereit zum Zustoßen, plötzlich brennender Schmerz, gleißendes Licht und dann Dunkelheit, ein dumpfer Schlag und Stille… „Der alte Mann hat es nicht verlernt“, ist das letzte was Accarin durch den Kopf geht, ehe er das Bewusstsein verliert.

„Boah hat Dich ganz schön erwischt, siehst schlimmer als die abgemagerten Eichhörnchen hier drin aus. Aber ist halt so: Wer nicht hören will…“. „Halt’s Maul Orsen! Halt einfach Dein vorlautes Maul!“, entfährt es Accarin mit einer eigenartigen Mischung aus Erleichterung und seiner altbekannten Entnervtheit, „mein Kopf fühlt sich an als ob halbes Kampfbatallion Rohirrim darüber geritten wäre, da brauch‘ ich Deine altklugen und äußerst ‚hilfereichen‘ Belehrungen wirklich nicht.“ Orsen grinst nur und natürlich kann er es nicht lassen – wie soll es auch anders sein? „Da auf Deinem Kopf wächst was… Das geht schon über eine Beule hinaus, das ist fast schon eigenständiges Leben“. Accarin prüft erst nach und es vergehen einige Sekunden bis die Worte zu ihm durchgedrungen sind – zu seiner Verteidigung: er ist noch immer etwas benommen. Schließlich verzieht er sein Gesicht zu einer grimmigen Maske. Sein Dolch liegt noch immer traurig über die Niederlage in einem Bett aus feuchtem Moos und wäre es nicht ein lauer Sommermorgen so hätte man wohl den Eindruck bekommen als würde er weinen. Der alte Schurke mag es überhaupt nicht wenn sein Dolch weint, Orsen war Vorlaut und seine Hände so schnell, dass man die Finger kaum sieht, wenn sie in eine fremde Tasche tanzen oder diese seine bevorzugte Waffe führen. So auch jetzt, es dauerte nicht einmal zwei Atemzüge und das Messer war zurück in den Händen seines Besitzers und keinen weiteren bis es knapp an Orsens Zeh leise klirrend in den weichen Waldboden schnitt und dort stecken blieb. Das war die Antwort die er verdient hatte. Accarin schien wieder zufriedener: „Da du Stümper, ein Messer, zerschneid Deinen alten Umhang und verbind‘ das Gröbste“ Der immer noch verdutzte Orsen will gerade zum Sprechen ansetzen als Accarin ihn mit einem Blick straft, der absolut aber überhaupt keine Widerrede zulässt. „Tu’s bevor ich endgültig meine Geduld, Geduld sein lasse“. Orsen seufzt und scheint in Anbetracht der Situation ausnahmsweise nicht weiteres Öl ins Feuer zu gießen, vorerst.

Nach einiger Zeit des Schweigens ist die Bandage fertig und die Stimmung erhellt sich sogleich etwas. Orsen scheint neugierig und bereit das Schweigen zu brechen: „Wie ist es eigentlich zu Deinem ‚schönen‘ Souvenir gekommen?“ Accarin ignoriert an dieser Stelle den leicht gehässigen Unterton, den er entgegen Orsens Annahme sehr wohl vernommen hat, nun völlig: „Es gibt Tage da gewinnt man und es gibt Tage da verliert man, heute ist einer von den Zweiteren. Man sollte nur immer…“ „…darauf achten, dass die Zweiteren nicht mit dem Verlust des eigenen Lebens enden, dann hat man schon alles richtig gemacht und man hat eigentlich schon gewonnen. Ich kenne Deine Alte-Leute-Weisheiten schon und sie würden mir auch überhaupt nicht fehlen…“, unterbricht ihn der Jäger gnadenlos. „Schön, warum fragst Du dann überhaupt?“, entgegnet der Verletzte als ob ein Horde Ponys auf seinem Kopf stepptanzen würde. „Entschuldige, bitte erzähl weiter…“. Ein Seufzen seitens Accarin und eine bewusst lang gewählte Pause später beginnt der lädierte Schurke zu erzählen…

„Orsen, Du weißt wahrscheinlich noch nicht wie ich aufgewachsen bin… Es war nicht immer so, dass ich das hatte was ich brauchte, es war nicht immer so, dass ich Freunde um mich hatte und es war nicht immer so, dass ich dieses dunkle Schicksal in mir trug.“ Der Jägersmann verzieht bei den für Accarin etwas pathetischen Worten kurz das Gesicht, deutet aber mit einem kurzen Nicken an, dass er verstanden hat. Er lehnt sich lässig gegen einen Baum, während Accarin im Moos sitzend weitererzählt. „Wie dem auch sei, ich bin auf den Straßen von Bree groß geworden. Es war hart dort und ich lernte mir das zu nehmen, was ich brauchte, besonders von denen, die ohnehin mehr hatten als sie nötig hatten. Wahrscheinlich erklärt das meine Abneigung gegen den Klerus und den Adelsstand und mein allgemeines Autoritätsproblem.“, Accarin grinst Orsen leicht bitter an, als wollte er die Härte der Worte abmildern. „Während dieser Zeit ging alles jedenfalls ziemlich drunter und drüber, bis ich eines Tages jemanden kennenlernte.“ Kurzes Schweigen beiderseits, danach setzt Orsen zum Sprechen an, ein belustigter Unterton schwingt in seiner Stimme mit. „Eine Frau?“ „Ja.“, gibt Accarin zähneknirschend zurück, während der Jäger grinst, zu breit grinst, für Accarins Geschmack. „Kindskopf! Aber ich kann’s auch gerne lassen, wenn du nicht ernst bleiben kannst…“ „Jetzt wo’s gerade interessant wird?“, Orsen grinst vieldeutig, Accarin blickt gen Himmel und verdreht die Augen, dann fährt er fort. „Jedenfalls ist“, Accarin verbessert sich kleinlaut, „war sie Atertirs Ziehtochter. Sie wurde mir vom Schicksal geschenkt und er hat sie mir wieder genommen.“ Von einem Wimpernschlag zum anderen zittert Accarin plötzlich vor Wut und wirkt hauptsächlich enttäuscht von ihm selbst. Diesmal scheint sein Weggefährte ausnahmsweise ernst und wagt es nicht den Finger in diese Wunde zu legen. „Komm Acca, wir gehen zum Schluchtenflechter… Soneah wartet bestimmt schon. Außerdem macht die Plörre da drinnen sogar Tote wieder lebendig. Da hilft sie bestimmt auch gegen Beulen … und Kummer“, fügt Orsen im Gedanken hinzu. Der gebrochene Schurke nickt knapp und folgt dem Jäger schweigend und dankbar durch die tanzenden Schatten des mondgeschwängerten Waldes.

Der Weg
Manchmal tun sich eben doch Abgründe auf, die man nie kommen gesehen hätte. Orsen dachte zum Beispiel, dass es eher wahrscheinlich gewesen wäre, Sauron kapitulieren zu sehen als dass Accarin freiwillig (!) etwas über sich preisgeben würde. So kann man sich aber irren. Und genau genommen war es nicht das erste Mal, auch wenn sich Orsen gewünscht hätte, dass dem so wäre. Sie schlenderten eine ganze Weile lang schweigend durch den tagsüber eigentlich so unscheinbaren und idyllischen Wald, der des Nächtens allerdings unerwartet bedrohlich wirkte. Zudem war es auch noch ziemlich kühl und aufkommender Nebel sorgte endgültig dafür, dass sich die beiden nicht mehr ganz so wohl fühlten (zumindest für ihre Verhältnisse, war Accarin die Dunkelheit doch mindestens ebenso gewohnt wie Orsen die Tücken so manches Waldes). Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen, ehe der Geruch von Sägespänen und frisch gehacktem Holz an ihre Nasen drang. Nun, da sie den Waldrand erreicht, den wabernden Nebel und die dichten Baumkronen des nördlichen Chetwaldes hinter sich gelassen hatten, konnten sie zum ersten mal einen Blick gen Himmel werfen. Der Mond schien relativ hell und sorgte dafür, dass das tiefe Schwarz hier und dort von dunklem Blau durchbrochen wurde. Sterne waren allerdings eher wenige zu sehen…

Als Orsen den Blick wieder vor sich richtete, sah er in das grimmige Gesicht seines Begleiters. Dem Mann war seine südliche Herkunft ausgesprochen deutlich anzusehen, genauso wie sein fortgeschrittenes Alter. Das dunkelhäutige Haupt krönte eine zwar noch dichte, aber hier und dort von grauen Strähnen durchzogene, schwarze Haarpracht. Sein Gesicht hatte zudem drei ausgesprochen markante Merkmale. Das auffälligste war wohl die Tätowierung, die sich fast über seine gesamte linke Gesichtshälfte zog und wohl irgendeine komische spirituelle Bedeutung hatte. Er hatte es irgendwann beiläufig erwähnt und Orsen hatte – wohl mangels Interesse – nie weiter nachgefragt. Die anderen beiden Merkmale waren die wirklich gut ausgeprägten Lachfalten und die strahlend weißen Zähne. Narben, die auch in diesem Gesicht zweifelsohne vorhanden waren, waren in dieser Zeit nun wirklich keine Seltenheit und bleiben daher mangels Markanz unerwähnt. Nun blickte er aber ausgesprochen grimmig drein, was irgendwie surreal wirkte, wenn man bedachte, dass dieser Mann quasi nie schlechte Laune hatte. Oder zumindest nicht so häufig wie viele andere. Ausserdem musste man noch erwähnen, dass “grimmig” in diesem Fall eine weitaus fatalere Bedeutung hatte, denn selbst in Situationen, in denen andere Menschen schon längst ausgerastet wären und alles kurz und klein geschlagen hätten, schaffte es dieser Mann einen derart neutralen Gesichtsausdruck zu wahren, dass man als Aussenstehender noch nicht einmal annähernd vermuten würde, dass er innerlich brodelte.

Genau genommen war es also das erste Mal, dass Orsen sah, wie Evjen – so sein Name – die Gesichtszüge entglitten. Vielleicht war er sogar überhaupt der erste Mensch, der diesen Anblick “genoss”. “Shaitan, dein Gesicht macht mir Angst…”, murmelte Orsen. Evjen musterte ihn eine ganze Weile lang schweigend, sah ihm direkt in die Augen, versuchte wohl durch sie hindurch in sein Innerstes zu blicken. “Ich glaube kaum, dass es nur mein Gesicht ist, das dir Angst macht… da ist etwas ganz anderes, das dir die Knie schlottern lässt.”, raunte er nun. Immerhin war wenigstens seine Stimme nach wie vor ruhig. Orsen nickte und blickte wieder in den Himmel. “Ich habe dir viel zu verdanken, Shaitan. Du lehrtest mich so einiges, hast mich geformt und zu dem gemacht, was ich heute bin, und dafür bin ich dir dankbar. Umso schwerer fällt es mir, dir zu sagen, dass ich versagt habe…”, sagte er leise. Er wagte es nicht Evjen dabei in die Augen zu sehen. “Ich bin nicht stark.”, fuhr er fort. “Auch, wenn du mir das oft genug gesagt hast und ich auch irgendwann anfing es zu glauben… heute wurde deutlich, dass ich alles bin, nur nicht stark. Beherrscht, ja. Ruhiger als zuvor, ja. Kräftiger, ja. Weniger aufrührerisch und wohl auch ein Stück weit reifer, ja. All das mag ich sein, aber eines ganz sicher nicht: Stark.”

Evjen seufzte nur. Das grimmige Gesicht wich einem enttäuschten. “Du hast es also getan, hm?”, fragte er nur und Orsen nickte. Auch – oder gerade hier – war er darauf bedacht, den direkten Blickkontakt zu meiden. “Wo liegt er..?”, fragte der Südländer. “Im Wohnzimmer…”, antwortete Orsen. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Evjen nickte. Als der Mann an ihm vorbeiging, sagte er nur: “Verschwinde.” Ohne sich noch einmal nach Orsen umzudrehen, ging er auf die Stadtmauern Calembels zu und verschmolz nach kurzer Zeit mit der Dunkelheit…
“Bist du eingeschlafen, oder was ist los..?”, grunzte eine Stimme hinter ihm. Orsen blinzelte und wandte den Blick Accarin zu, der da gesprochen hatte. “Hm? Oh, äh… nein. Hab nur grad nachgedacht.”, murmelte er und setzte seinen Weg die Straße entlang fort. Am Horizont konnte er schon die Mauern des Schluchtenflechters erkennen.

Morgengrauen
Sanft und doch störend blinzelten die ersten Sonnenstrahlen durch einen kleinen Spalt der Holzlatten und gaben den Blick auf ein kleines notdürftiges Lager frei, welches im hintersten Eck des Lagerhauses aufgeschlagen wurde. Mit einem kaum vernehmbaren seufzen und Geraschel bewegte sich eine zarte Figur im Halbschatten und öffnete nur schwerlich die Augen. Als den müden Augen jedoch klar wird, wie spät es ist und jede Bewegung bereits argwöhnisch beobachtet wird aus bernsteinfarbenen flinken Augen, sprang Soneah, wie von der Tarantel gestochen hoch und packte flink ihre Habseligkeiten zusammen.
„Jaja… sieh mich nicht so an. Ich weiß, dass bereits die Sonne aufgeht und ich schon vorm Schluchtenflechter sein sollte.“
Flink wurde der Umhang, welcher als Decke gedient hatte, ausgeschüttelt und wieder umgeworfen, sowie ihr kleiner Beutel gepackt und zur Hand genommen. In binnen weniger Minuten war von dem “Einbruch” im Lagerhaus nichts mehr zu erkennen und Soneah schlich sich lautlos wieder durch eine lose, bewegliche Latte an der Rückseite hinaus, hielt jedoch noch kurz inne und warf einen Blick zu ihrem Begleiter.
„Heledir? Was is nun? Kommst du?“
Mit einem Krächzen wurde die Frage beantwortet und Heledir, Soneahs Rabe hüpfte geschickt hinter seiner Meisterin zum Schlupfloch und hindurch.

Blinzelnd stiegen Soneah und ihr Rabe aus dem Lagerhaus aus und huschten ungesehen auf die kurze aber gut besuchte Hauptstraße von Schlucht. Obwohl es noch früher Morgen war, so herrschte bereits reges Treiben auf der Straße. Viecher wurden getrieben, Warenstände wurden aufgebaut und angepriesen, der Marktschreier machte seine Runde und natürlich wurde alles fein säuberlich von der hiesigen Stadtwache beobachtet. Sie klopfte sich noch den Staub, Heu und Sägespäne aus der Kleidung und rieb sich die noch verschlafenen Augen.
„Dann werden wir mal ein Frühstück ordern gehen für die Herrschaften, oder?“ murmelte sie vor sich hin und ließ Heledir auf ihrer Schulter Platz nehmen.
Angekommen im Schluchtenflechter hielt sich sofort Ausschau nach den zwei „Freunden“, konnte jedoch ausser den üblichen Verdächtigen niemanden entdecken. Genau hier hatten sie sich vor einigen Wochen kennen gelernt und sind sogleich in eine wilde Schlägerei verwickelt worden. Aber irgendetwas war es was diese drei verband, keiner musste es genau sagen, aber sie wussten sie hatten eines gemeinsam.
Mittlerweile wanderte die Sonne ein wenig den Morgenhimmel empor und schön langsam bekam man ein Gefühl für die aufkommende Hitze an dem Tag. Soneah saß auf der großen Holzterrasse vorm Schluchtenflechter, ließ ihre Beine baumeln und beobachtete die Menschen, während sie einen – nicht ganz so legal beschafften – Apfel aß. Eigentlich sollten Orsen und Accarin schon lange da sein und die Geduld der jungen Kundigen wurde auf eine harte Probe gestellt.

„Feine Herren sind mir das. Sei vor Sonnenaufgang beim Schluchtenflechter… Es gibt ach so wichtige Dinge zu besprechen… Haben die beiden Dummköpfe denn einmal nach oben geschaut?“
Heledir zog einstweilen seine Kreise und suchte im Umfeld nach den bekannten Gesichtern. Als er über die Ausläufer des nördlichen Chetwalds flog, sah er zwei Männer stehen, sich unterhaltend, einer der Beiden mit einem etwas notdürftig verbundenen Kopf, der Andere mit einem halben Umhang. Es wirkte skuril.
Das aufgeregte Krächzen verriet Soneah, dass er wohl die zwei gefunden hat bzw. diese am Weg sind, also musste sie sich nur noch kurz gedulden bis sie endlich alle ordentlich frühstücken konnten und vor allem was konnte so wichtig sein?
Tatsächlich tauchten Orsen und Accarin kurze Zeit später an der Hauptstraße auf und wurden mit schiefen Blicken der Stadtbewohner für deren Auftritt bestraft, es schien allerdings die Zwei nicht zu interessieren – warum auch?

„Da seid ihr ja endlich…. Ich hab mir hier schon …. oh…. Accarin? Was is denn passiert? Alles oke? Orsen? ………. Ich hab Frühstück geordert, im Schluchtenflechter drinnen,“ dabei deutete sie mit ihrer Hand auf das Gebäude hinter sich und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Nicht mal die Antwort abwartend – sie hatte Hunger, endlos großen Hunger – sprang sie auf, nahm ihren Stab und kleinen Beutel und stürzte zur Tür.

„Na jetzt kommt schon. Immerhin muss ja was passiert sein und ausserdem wollten wir uns sowieso treffen um _was zu wichtiges zu besprechen_ und ich hab Hunger.“
Mit gequältem Blick suchte sie Zustimmung bei den anderen Beiden und lächelte erleichtert auf, als diese sich endlich in Bewegung setzten und sie den Schluchtenflechter betraten. Wie üblich hing ein durchdringender, abstoßender Geruch in der Luft, alkoholgetränkte Mannen hingen an den Tischen und schliefen größtenteils ihren Rausch aus, nur ein Tisch weiter hinten im Raum war halbwegs sauber und mit 3 Tellern, sowie einer größeren Platte voll mit Pökelfleisch, Brot, Speck, Käse, Eiern und Obst. Es war der georderte Frühstückstisch und mit ein bisschen Fantasie roch es plötzlich ganz gut in der Schank.

Die Lüge
Eine Welle des Unmutes rollt vor Accarin wie ein Schatten her. Da ändert auch der Umstand nichts, dass es diesmal im Schluchtenflechter sogar für etwas feinere Nasen erträglich scheint.
„Bei allem was mir heilig ist! Wieso steht hier nur Wasser? Nach so einer Nacht will ich Bier. Ist das so schwer?“, fährt er Orsen, Soneah und nicht zuletzt Lisbett an, die sich zurecht über die Stimmungsschwankungen des Schurken wundern.
„Nichts könnt Ihr richtig machen. Alles bleibt wieder an mir hängen…“
„Jetzt mach aber mal Halblang!“, in Soneahs Augen keimt plötzliche Wut auf, die sie sogleich mit den Worten und einer für eine Frau ziemlich kräftigen Faust auf den Tisch entlässt. Währenddessen brabbelt Orsen unverständliches Zeug und kichert leicht irre. Es dauert keinen Wimpernschlag und eine neue Welle des Zorns fährt durch Soneahs Arm und erwischt den armen Orsen unerbittlich. Mit einem stillem säuseln fährt der Kundigenstab auf sein Haupt nieder und erzeugt eine Beule die sich nicht vor Accarins hätte verstecken müssen und hätte dieser nicht schon eine gehabt hätte er sich wohl nun die zweite eingefangen.
„Sag mal bist du verrückt geworden? Ich hab Dir doch zugestimmt…“, entgegnet der Jägersmann fahrig, während er vorwurfsvoll die getroffene Stelle abtastet und dabei furchtbar leidend das Gesicht verzieht. Lisbett indes zuckt nur mit den Achseln und scheint vollauf mit dem Schmutz der letzten Nacht auf der Theke beschäftigt.
„Uns gegenüber musst Du Dich nicht blöd stellen…“, entgegnet die Kundige immer noch sichtlich erbost, nicht zuletzt darüber, dass Accarin nun wieder aus vollem Gesichte grinst.
„Mag der Herr mir nun endlich verraten was dieses ganze Theater soll oder will die Dame weiterhin grundlos um sich schlagen“, motzt Orsen etwas beleidigt und reibt sich die inzwischen nicht schlecht blau angelaufene Schläfe. Normalerweise hätte Accarin an dieser Stelle eine bewusst theatralische Pause eingesetzt, aber ihm ist gerade nicht danach. Ihm ist auch gar nicht nach Frühstück in diesem Drecksloch und schon überhaupt nicht danach über seine Vergangenheit zu sinnieren. All das wollte er eigentlich in einen schönen Satz packen, dennoch bringt er vor Gram nur ein entnervtes
„Grmpf“ hervor.
„Sehr aussagekräftig.“, stellt Orsen nach einiger Zeit fest , als er bemerkt, dass der äußerst detaillierten Ausführungen seitens Accarin nichts folgen würde, was sogleich mit einem drohenden Seitenblick seitens Soneah bestraft wird.
„Vergiss nicht, dass du bei uns unter Freunden bist. Und außer Lisbett ist zu dieser frühen Stunde noch niemand hier, der uns belauschen könnte.“, versucht Soneah den Unwilligen zu überzeugen, „Komm schon gib dir einen Ruck, Acca.“
Accarin schließt die Augen wie er das so oft tut, um anzudeuten, dass er im Begriff ist seine Meinung zu ändern. Nach einigen Sekunden öffnet er sie wieder, verzieht das schiefe bandagierte Gesicht zu einem sanften Grinsen oder zu etwas ähnlichem und beginnt, zwar etwas widerwillig zögerlich, aber dennoch zu erzählen…
„Dereinst als ich noch jung war, da hätte ich das Glück fast zu fassen bekommen. Doch sind Träume nicht immer leicht zu erwischen und zerfließen in tausend Tränen wie ein Schneeball in der für ihn sengenden Hand… Zumindest hat das mein alter Freund so ausgedrückt und obwohl ich die Worte bis heute nicht verstehe, ahne ich langsam was er damit gemeint hat…“
Soneah schien geradezu an Accarins Lippen zu kleben. Bei Orsen, das komplette Gegenteil, konnte man sich nicht wirklich sicher sein, da er mit einer Glasmurmel, die er eifrig zwischen seinen Fingern hin und her schoss, nicht gerade geräuschlos, wie ein Schuljunge spielte. „Wusch… Piuuu. Zack.“. Bitter böser Blick seitens Soneah, Ruhe, danach zerschneidet Accarins zuerst noch belustigte, dann aber für seine Verhältnisse recht geknickte Stimme erneut die Stille.
„Wie Du vielleicht schon ahnst, stammen diese Worte von Atertir. Er sprach sie zu mir als er sich rechtfertigte, er sprach sie zu mir als er mich rettete und er sprach sie zu mir als er mir alles genommen hatte. Meine Frau, meinen Sohn, mein Leben…“

Accarin lächelte, die Freude schien ihm geradezu ins Gesicht geschrieben. Ein Tagesritt und er sollte sie, der er so vieles zu verdanken hatte, endlich wiedersehen. In diesem Sinne trieb er seinen Rappen zu noch schärferem Galopp an. Sulir hatte seinen Namen redlich verdient er und sein Reiter Accarin schienen wie der Wind über die Straßen des Auenlands zu fliegen, beide sichtlich zufrieden mit der Situation.
Doch sollte sich dieser Umstand alsbald mit dem Erreichen der Grenze zu den Ered Luin ändern. Celondim schien bereits greifbar nahe, als den Schurken ein schrecklicher Schlag gegen die rechte Schulter jäh aus dem Sattel warf. Sulir bremste, versuchte seinen Herren vom Sturz zu bewahren, strauchelte und verlor schlussendlich selbst das Gleichgewicht. So landeten Reiter und Pferd im Morast der auenländischen Sümpfe. Da lagen sie zwischen stinkendem Wasser, Schlamm und unheilvollem Getier, das sich in solcher Umgebung wohlfühlt. Es dauerte ein wenig bis Accarin gewahr wurde was ihn das getroffen hatte. Erst als er mit seiner Hand die schmerzende Stelle abtastete bemerkte er, dass etwas in ihr steckte. Ein ungewöhnlich kurzer Eibenschaft mit schwarzer Befiederung hatte sich direkt oberhalb des Gelenks in sein Fleisch gebohrt. Jemand hatte auf ihn geschossen! Doch hier im Auenland? Hobbits überfallen doch keine Leute und die paar Banditen die es hier gibt… Außerdem war dieser Pfeil anders als alles was er von Menschenhand jemals zu Gesichte bekam. Er kannte diese Machart von Sangriel. Doch warum sollte sie oder jemand aus ihrer Sippe auf ihn, ihren Ehemann, schießen? Seine Gedanken wurden jäh von einem kratzigen Lacher unterbrochen. Erst jetzt bemerkte er, dass sich jemand genähert hatte und ganz in seiner Nähe sichtlich zufrieden mit dem eigenen Werk war.
„Du Wurm! Hast wohl gedacht Du kannst ungestraft davonkommen? Mir alles nehmen, ohne dafür bestraft zu werden?“ erneut ein Lachen, dann fuhr die Stimme ohne Gesicht fort, „Diese Verbindung ist wider der Natur! Ich gebe Dir die Chance, Mensch, jetzt zu fliehen und diese Länder zu verlassen.“
„Ich muss…“ „SCHWEIG STILL. Oder ich überlege es mir anders und Du wirst gleich Bekanntschaft mit meinem Schwert machen.“, unterbrach ihn die eiskalte Melodie des Todes, die in dieser Stimme mitschwang.
„Suche dein Heil in der Flucht und ich werde IHR sagen, dass Du den Schwanz eingezogen hast und geflohen bist. Die Flucht ist ja eine menschliche Tugend, wie wir beide wissen.“, anhand des anhaltenden Frostes in ihrem Tonfall war es schwierig es wahrzunehmen, doch Accarin hätte schwören können, dass die Unbekannte ziemlich belustigt von der Situation war und genau WUSSTE, dass er NIEMALS davonlaufen würde. Sie schien geradezu eine Rechtfertigung für diesen feigen Angriff zu suchen. Nach einiger Stille setzte Accarin zu einer Antwort an.
„Ich kann mir gut vorstellen wer Du bist… Dennoch und gerade deshalb solltest Du wissen, dass ich niemals vor Dir buckeln oder gar aufgeben werde.“, Accarins Gesichtsausdruck wurde kalt und er verzog keine Miene als er sich den Pfeil aus der lädierten Schulter zog, „Wenn Du mich also von irgendwas abhalten möchtest, wirst Du mich wohl töten müssen, Licentia. Oder sollte ich Dich wie meine Frau ‚Mutter‘ nennen?“
Accarin ignorierte den Schmerz der durch seine rechte Körperhälfte fuhr als er aufsprang. Er tat gut daran, da der erste Schwertstreich bei dieser Provokation nicht lange auf sich warten ließ. So traf er Schilf und Röhricht, anstatt Fleisch und Knochen. Er lächelte. Ein Kampf mit einer Elbe mit in den auenländischen Sümpfen, wer hätte das gedacht! Die Gedanken waren noch nicht zu Ende, da zog er auch schon seine beiden blitzenden Dolche und holte zum Gegenschlag aus. Volte, Drehung mit dem Handgelenk, ein Stich ins rechte Schulterblatt, dann sollten ausgeglichene Machtverhältnisse herrschen. Doch die Waffenmeisterin vollführte eine geschickte Halbdrehung und parierte gnadenlos um Accarin kurz bevor er zustechen konnte mit einem sehr unelbischen Fußtritt zurück in den Morast zu schicken, wo er weich, aber dennoch auf seiner Schulter schmerzvoll aufschlug.
„Menschlein, selbst mit einer unverletzten Schulter hättest du überhaupt keine Chance gegen mich. Sieh‘ es ein… Eine letzte Chance will ich dir noch geben. Merke, hinter dieser Pforte lauert der Tod!“ „Dann will ich lächelnd hindurch schreiten!“ Accarin rappelte sich blitzschnell auf und griff erneut an, diesmal versuchte er mit einer gekonnten Kombination aus Pirouette und Beinfeger die Elbenkriegerin von den Beinen zu holen. Seine Gegnerin erkannte jedoch sein Vorhaben und sprang gekonnt wie eine Katze in die Luft. Das hatte er erwartet und warf einen der beiden Dolche nach ihr, der sie zwar nicht traf aber zumindest gefährlich nah an ihrer Wange vorbeischrammte. Nun hatte er nur noch eine Waffe und zu allem Überfluss einen verletzten Arm. Aber er wich nicht zurück, im Gegenteil, er stieß sich vom Boden ab, den Dolch in der Linken zum Angriff gehoben und mit der Rechten tat er so als wolle er ihr einen Faustschlag versetzen. Die Waffenmeisterin war in der Zwischenzeit schon wieder just mit beiden Füßen im Morast direkt vor Accarin gelandet. Kurz bevor er ihre Leibesmitte erreichen konnte riss er den Faustarm nach oben und beförderte eine Hand voll besten Schlamms mitten in ihre linke Gesichtshälfte, während sie geschickt und dennoch abgelenkt den sonst sicher tödlichen Dolchhieb parierte. Noch im Flug spürte er ein merkwürdiges Brennen im Gesicht. Nicht nur er selbst hatte einen Hinterhalt geplant. Als er wieder am Boden aufkam wurde ihm plötzlich gewahr was geschehen war. Er sah mit dem einen Auge wie durch einen roten Schleier, getrübt unscharf. Er erkannte nur mehr Silhouetten. Auch sie hatte sein Auge mit einer blitzschnellen Bewegung des Dolches in Ihrer Linken getroffen. Jetzt wurde ihm langsam gewahr, dass er nicht gewinnen konnte und doch entsann er sich darauf wofür er kämpfte und gab nicht auf. Nach weiterem hin und her, unzähligen Blessuren und literweise aufgewühlten Schlamms, gewann Licentia endgültig die Oberhand und beförderte den nunmehr völlig Entwaffneten unsanft in die unklare Brühe, wo er zuerst noch wie ein Käfer zappelte, das unerbittliche Metall an seiner Kehle ihn jedoch schnell zur Ruhe ermahnte.
„Menschlein, Du hast Dich gut geschlagen. Doch nun erfolgt das Notwe…“ Just in diesem Moment riss die Elbenkriegerin die Augen auf und begann aus vollem Halse zu schreien. Auch Accarin bemerkte was passiert war, gleißendes Feuer fuhr durch das Schwert und versengte Licentia das Fleisch. Das Metall aus dem es bestand schien an längst vergangene Tage in der Esse erinnert und entlud seinen ureigenen Ingrimm mit einem Schlag. Säuselnd fiel es zu Boden und der letzte Funken Zorns erstark mit einem lauten Zischen im Brackwasser des Sumpfes. Dann hörte Accarin eine tiefe Stimme, sie klang voller Vorwurf und doch auch voller Leid oder gar Mitleid. Sie sprach in einer Zunge die ich schon lange nicht mehr hören durfte. Obwohl er die Worte erst sehr viel später verstand, brannte sie sich schier in sein Gedächtnis:
„Awarthag gaw ne hûn nîn, muinthiel nîn. Berion in edain in ú-vill!“ Du erfüllst mein Herz mit Leere, Schwester. Ich beschütze jedoch die Menschen, die nicht stark genug sind. Licentia antwortete nicht, blinden Zorns stürzte sich mit den bloßen verbrannten Händen auf den Neuankömmling, den Accarin nur noch als Schemen wahrnahm, der Kampf hatte ihm mehr abgefordert als ihm bis jetzt selbst bewusst war. Alles was er noch erkennen konnte war eine dunkle Robe und ein mächtiger Stab und ein Schwert, das in sich in einem giftig grünen Schimmer der Abendsonne schlangengleich spiegelte und die Furie, die sich wie von Sinnen auf den vermeintlichen Retter stürzte. Erneut schnitten Worte durch die Luft doch diesmal waren sie anders als alles was Accarin bisher vernommen hatte. Sie waren gebieterisch und gleichzeitig flehend und was danach geschah hätte er selbst nie für möglich gehalten.
“Naneth tond en arda, canin cen na eneth iaur lîn. Lacho calad!” Große Mutter der Erde, ich rufe dich bei deinem alten Namen. Flamme auf gleißendes Licht! Das letzte Wort war noch nicht ausgesprochen da ward der ganze in der Abenddämmerung liegende Sumpf von unvorstellbarem Licht erfüllt. Was danach geschah wusste Accarin nicht, denn er hatte das Bewusstsein verloren. Ob es die Verletzungen waren oder dieses Licht damit zu tun hatte, vermochte er bis heute nicht zu sagen.

Accarin beendet seine Erzählung und sieht wie sich tiefe Trauer und Enttäuschung in Soneahs Augen abzeichnet. Der Einzige, der wie immer etwas unbeteiligt wirkt ist Orsen, der eifrig an einem strunz trockenen Krumen Brot nagt. Dies ist wahrscheinlich seine Art die Lage etwas aufzuheitern.
„Ihr könnt Euch sicher vorstellen wer dieser Unbekannte dem ich meine Rettung verdanke war? Ihn, den ich bis heute eigentlich zu meinen Freunden zählte. Ihn, der mich dennoch betrogen hat.“ Soneah blickt Accarin bei diesen Worten unsicher an. Orsen schmatzt laut, wird aber von den beiden anderen ignoriert.
„Atertir, dein Meister, hat mir das Leben geschenkt und es dennoch genommen. Eigentlich hätte er dieses Biest, seine Schwester, über die eigene Klinge springen lassen müssen. Doch brachte er das nicht übers Herz. So scheiterte Licentia zwar in dem Vorhaben mich zu töten, aber obsiegte trotzdem indem sie mir mein Leben stahl.“ Soneah nickte kurz und furchte die Stirn die die verworrenen Gedanken in ihrem Kopf fast perfekt abbildeten. Orsen grunzte, scheinbar hat er immer noch nichts Konstruktives beizutragen. Dann erhob die junge Kundige die Stimme:
„Ich verstehe noch immer nicht Dein akutes Problem mit Atertir!?“ Diesmal nickt sogar der verwegene Orsen, weil Soneah „des Pudels Kern“ so perfekt auf den Punkt gebracht hat.
„Nun, er hat mich angelogen. Ich weiß aus todsicherer Quelle, dass zumindest mein Sohn am Leben ist.“ Nun fällt der Groschen und über die Mienen seiner beiden Begleiter spielen mehrere Wellen verschiedenster Emotionen ehe einer der beiden wieder das Wort ergreift.

Familienbande
Sieht also so aus, als hätten auch Elben so etwas wie ‘menschliche Abgründe’. Obgleich Orsen nebenbei mit der Murmel spielte, hatte er natürlich sehr wohl zugehört und sich so seine Gedanken gemacht. Mit einem gekonnten Schnipser beförderte er die Murmel wieder zurück in seine Tasche und wandte den Blick Accarin zu. „Ich kenne mich da ehrlicherweise zu wenig aus. Ihr zwei kennt den Elben sicherlich besser als ich. Aber ich denke mal, er wird seine Gründe haben, warum er Deinen Sohn vor Dir versteckt. Das soll nicht heißen, dass ich es für gut befinde. Genau genommen ist es meiner Meinung nach sogar ein ziemliches Verbrechen. Andererseits kann es aber natürlich auch sein, dass er es tat um größeres Übel zu verhindern. Nach dem, was du so erzählt hast, kann ich mir nämlich gut vorstellen, dass diese Elbin auch nach ihrem Tod noch gefährlich sein kann, denn auch der abgetrennte Kopf eines Löwen hat nach wie vor scharfe Zähne.“, führte er aus.
Mit einem Seufzen lehnte er sich zurück und wedelte mit der Hand. „Das ist aber alles Spekulation. Die Wahrheit wirst du nur herausfinden, wenn du ihn zur Rede stellst. Ich würde Dir nur raten nichts zu überstürzen, denn das ist die denkbar schlechteste Lösung…“, fuhr er fort und sah dann einige Zeit gedankenverloren an Lisbett vorbei zur Wand, die mit Sicherheit auch schon mal bessere Zeiten gesehen hatte, jetzt aber von tiefen Furchen und Rissen durchsetzt war. Es folgte eine recht lange Phase nachdenklichen Schweigens. Die Stille wurde nur hin und wieder von einem Humpen Bier unterbrochen, der an den Mund seines Besitzers geführt und anschließend wieder mit einem leisen „Klonk“ auf den maroden Holztisch zurückbefördert wurde.
Nach einiger Zeit durchbrach Orsen das Schweigen. „Wer von euch war bereits in Calembel?“, fragte er und sah zwischen den beiden hin und her. Soneah schüttelte erwartungsgemäß den Kopf, genauso wie Accarin. Orsen nickte und begann zu erzählen. „Calembel ist die Hauptstadt Lamedons – und meine Heimatstadt. Ich gehöre zu einer alteingesessenen Kaufmannsdynastie aus Lamedon, dem Baruga-Clan. Mein Vater war Herr des in Calembel ansässigen Familienzweigs und führte die Geschäfte mit äußerst kundiger Hand. Er machte den Calembel-Zweig zum mächtigsten und reichsten Familienzweig. Es gab Zeiten, da war ich überaus stolz auf ihn, denn auch, wenn er ein Tyrann war… so war er immer noch mein Vater. Und welcher Sohn schaut denn schon nicht zu seinem Vater auf?“, sprach er. Es folgte eine weitere, kurze Pause, in der Orsen nachdenklich die Wand betrachtete.
„Ihr könnt euch vielleicht denken, dass er nicht immer mit den saubersten Mitteln vorgegangen ist. Was er tat war zwar nicht illegal, aber auch nicht wirklich moralisch astrein. Mit wirtschaftlicher Macht hat man natürlich auch politische. Die Regierung der Stadt war von den Einflüssen meiner Familie ein Stück weit abhängig. Dementsprechend war sie meinem Vater auch überaus wohlgesonnen – und das nutzte er beizeiten gnadenlos aus. Als ich vor einigen Jahren von diesen Vorgängen erfuhr, erlosch auch der letzte Faden, der mich mit meinem Vater verband: Die Ehrfurcht. Ich konnte nicht mehr zu ihm aufschauen, war er doch plötzlich zu einer leeren Hülle für mich geworden. Ein beliebig austauschbarer Halunke, nicht besser als der Straßendieb nebenan. Nun sah ich nur noch all das, was er uns angetan hat. Meine Mutter hielt bis zuletzt an ihm fest, bis sie schließlich krank wurde. Meinen Vater interessierte dies jedoch nicht. Er hatte nur seine Geschäfte im Kopf… und wahrscheinlich noch diverse andere Machenschaften.
Eines Tages kam es zum Streit zwischen uns.“, fuhr Orsen fort. Es folgte eine weitere Pause, in der er seine Gedanken zu ordnen schien. Man konnte ihm ein Stück weit ansehen, dass er einen Teil seiner Geschichte erzählte, den er am liebsten streichen würde. „Ich sollte… ihm ein Fass Tinte holen. Meine Mutter hatte hohes Fieber und die Amme bat um kaltes Wasser aus dem Ciril. Ich wollte zuerst das Wasser besorgen und meinem Vater dann die Tinte bringen, aber er rastete aus, zerstörte den Krug, den ich in der Hand hielt um das Wasser zu transportieren. Er sagte… jeder Tropfen Tinte sei mehr wert, als das Bündel aus Fleisch und Knochen auf jenem Bett.“ Orsen brauchte ein wenig um sich zu fassen. In diesem Moment sah er deutlich älter aus als er war. Die Wangen eingefallen, der Blick trüb, die Stirn in Falten.
„Das nächste, an was ich mich erinnerte, war der leblose Körper meines Vaters auf dem Boden und eine blutige Scherbe in meiner Hand…“, sagte er schließlich. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. Er schien nun wieder deutlich gefasster und sah seine beiden Begleiter an. „Ich bereue meine Tat. Nicht, weil ich meinen Vater tötete, denn in meinen Augen war er schon tot. Ich bereue meine Tat, weil ich durch sie keine Möglichkeit mehr habe, meine Heimat als freier Mann zu betreten. Weil ich das Gefühl habe, meine Mutter im Stich gelassen zu haben, obwohl ich weiß, dass man sich natürlich bestens um sie kümmert, auch wenn ich nicht da bin. Weil ich jetzt, da Blut an meinen Fingern klebt, keinen Deut besser bin, als mein alter Herr.“
Orsens Hand glitt in fahriger Bewegung zu seinem Bierkrug. Allein um nichts weiter sagen zu müssen, ließ er den letzten Rest der goldenen Flüssigkeit seine Kehle hinunterrinnen. Als er fertig war, stellte er den leeren Krug wieder auf den Tisch und lehnte sich zurück. „Im Grunde sind wir doch alle Hyänen.“, murmelte er.

Der Schwur
Meist schweigend lauschte Soneah den Ausführungen von Accarin und Orsen. Es war als hätte sie all das gehörte gerade selbst erlebt und so sprangen ihre Gedanken und Gefühle fast förmlich im Zick-Zack. Doch dann blieb sie bei einer Erinnerung hängen, in Bree...

Etwas besorgt und verwirrt blickten die zwei Gefährten die junge Kundige an und warteten auf eine Reaktion.
Langsam und zögerlich begann Soneah ihre Gedanken zu ordnen und daraus verständliche Sätze zu bilden.

"Ihr wisst, dass ich in Bree ohne wahrliche Eltern aufgewachsen bin. Manchmal überrascht es mich selbst, wie ich das scheinbar hinbekommen habe. Doch ich war nicht immer alleine, viele Jahre lang waren wir zu zweit. Keleth und ich, er kam zwar nicht aus Bree, aber auch er hatte kein zu Hause mehr. Zumindest sagte er das immer..." Soneah seufzte und spielte sich während der Erzählung, von Keleth, mit einem kleinen silbernen Anhänger, auf einem Lederband festgebunden. Dieser Glücksbringer, Erinnerungsstück, gab ihr immer wieder neuen Mut, spendete Trost und erinnerte sie an harte, aber schöne Zeiten. Nach einer kurzen Pause setzte sie fort: "Er war ein bisschen älter als ich und kümmerte sich um mich wie ein großer Bruder. Wir lernten fast täglich voneinander, wie wir überleben konnten, suchten immer die Nähe des Anderen, waren ein unschlagbares Team.

Erst vor wenigen Jahren musste ich einen Schwur leisten, einen Schwur ihm gegenüber, seitdem habe ich ihn nie wieder gesehen..." Wieder legte Soneah eine kleine Pause ein und musterte "ihre" zwei Jungs, wie sie gerne sagte, mit traurigen Augen. Es war als würde sie von etwas sprechen, dass ihr entrissen wurde. Etwas das einst fix zu ihr gehörte, ein Teil von ihr war. Von einem tiefen Seufzer, einem Blick gegen die Decke des Schluchtenflechters gefolgt erzählte sie die Geschehnisse damals in Bree von Keleth.

„Keleth und ich haben uns das genommen von denen die es sowieso nicht brauchten und verteilten es entweder unter uns oder im Armenviertel denen, die es noch dringender brauchten. Eines Tages wurde er von einem Kerl der Stadtwache von Bree aufgehalten – wir hatten zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nichts gemacht – und fest genommen. Er soll irgendjemanden umgebracht haben und man habe ihn dort zuletzt gesehen, ehe man die Leiche fand. Auch wenn ich vielleicht nicht sehr viel von Keleths Beweggründe, warum er in Bree bei mir blieb, weiß und wo er wirklich her kam, aber DAS wusste ich. Er hat niemanden ermordet. Aber alles bitten und beweisen, dass er es nicht gewesen ist, half nichts. Keleth sollte zum nächsten Vollmond gehängt werden. Dieses ganze Gesindel, diese Leute die glauben sie seien etwas Besseres, Stadtwache, Bürgermeister und wer sie alle sind.. sie haben nur einen Sündenbock gesucht. Mehr nicht. Da kamen wir vom Armenviertel natürlich genau richtig. Uns würde niemand vermissen.“

Sie nahm einen kurzen Schluck um wieder besser bei Stimme zu sein.
„Es waren nur wenige Tage bis Vollmond und so musste ich mich beeilen einen Weg zu finden, ihm da raus zu helfen. Dank Heledir haben wir es dann irgendwie geschafft, dass Keleth durch ein geschicktes Ablenkungsmanöver – ja gut ich habe die Wache verführt und ihr dann etwas Mohnschlaf ins Bier gekippt – entkommen konnte. Aber natürlich konnte er nicht bleiben. Ich wollte nicht, dass er geht und aus Bree wollte ich aber auch nicht weg. Was ist wenn mich meine Eltern doch irgendwann hier suchen? Sie werden mich dann nie wieder finden. Mittlerweile hab ich die Hoffnung ganz aufgegeben, aber egal.“
Etwas Bitterkeit schwang bei der Erwähnung ihrer Eltern im Ton mit und steckte den silbernen Anhänger nun endgültig wieder weg, als schien er plötzlich heiß geworden zu sein und nicht mehr in der Hand zu halten wäre, vor lauter Hitze.

„Keleth aber musste los ehe es jemanden auffiel, dass er ausgebrochen war. Er nahm sich ein Pferd der Wache und wir schlichen mitten in der Nacht quer durch Bree zum Nordtor, dort war immer am wenigsten los. Er verabschiedete sich von mir und gab mir seinen Anhänger, es war wohl ein Familiengeschenk. Das wohl schönste Geschenk das mir damals je jemand gemacht hatte, und ich musste ihm etwas schwören. Meinen Schwur...“

„Versprich mir, NEIN Schwör mir. Dass du immer dein eigener Herr bleibst. Du kannst alles werden was du möchtest, alles machen wonach dir steht, aber krieche niemals vor jemanden im Dreck. Du bist mehr wert. Schwörst du mir das?“

Als sie den Abschied von ihren „großen“ Bruder – ihrem Seelenverwandten und von ihrem geleisteten Schwur erzählte, fanden zarte Tränen der Trauer ihren Weg über ihre Wangen und fielen unbekümmert auf die Tischplatte auf. Ein winziger Tropfen auf eine große Lücke.

„Tage, Wochen, Monate später musste ich fast täglich zusehen wie immer mehr von uns mit den absurdesten Gründen aufgegriffen und im Endeffekt beseitigt wurden. Ich bin ihnen selbst nur ein paar Mal sehr knapp entkommen.
Sie haben uns alle belogen, betrogen, benutzt. Das wenige genommen was wir noch hatten.“

Dabei ballte sie ihre Hände zu Fäusten und spürte förmlich wie die unbändige Wut in ihr aufkeimte, nur noch schwer zu beherrschen. Doch nicht hier, nicht jetzt. Sie würde sich irgendwann an dieser Ungerechtigkeit rächen können. Irgendwann.

Alle drei nickten schweigend und tranken ihr Bier leer, ehe Accarin nur noch ein Wort in den Raum warf, welches sich plötzlich in die Köpfe der Drei für Ewig brennen sollte.

„Amarthan“

Auch wenn Soneah nicht viel Sindar von ihrem Meister gelernt hatte, so konnte sie zumindest dieses eine Wort übersetzen für Orsen und murmelte wiederholend.

„Dunkles Schicksal“

Heledir, der Rabe von Soneah war es der diesem Pakt – dieser Gemeinschaft den letzten Punkt aufsetze. Er sprang wie von diesem einem Wort getrieben auf den Tisch, krächzte ein paar Mal, blickte jeden der Drei mit schief gelegtem Kopf und seinen bernsteinfarbenen Augen lange an. Erst dann sprang er wieder hoch, breitete seine Flügel aus und landete wieder auf dem über ihnen liegenden Dachbalken.
Mit verwirrten und doch irgendwie schmunzelnden Gesichtern folgte der Blick der Drei dem Raben, ehe sie wieder auf den Tisch sahen und vor ihnen je eine Rabenfeder lag.

Soneah, Orsen und Accarin blickten lange vielsagend auf die Rabenfeder, dann jedem Einzelnen in die Augen. Es stand also für die Drei fest, sie wollten dieses Dunkle Schicksal teilen, sich gegenseitig Mut zu sprechen, für einander da sein und gemeinsam den inneren Krieg gewinnen.

Sie waren die Amarthan.

Text by Accarin, Kashin, Eoddren